Bericht über das Forum der Agenda am 22. November 2012

Der Sprecher der Agenda Bert Eisl konnte zu der Veranstaltung rund 45 interessierte Bürgerinnen und Bürger unter ihnen auch einige Mitglieder des Gemeinderats begrüßen.

Nach kurzen Berichten aus den Arbeitskreisen der Agenda standen zwei Planungsthemen im Mittelpunkt des Abends:

  • Gartenstadt ade?
  • Bahnhofsareal Pullach


Gartenstadt ade?

Der Sprecher des AK Ortsentwicklung und Natur Justus Thyroff erläuterte zunächst die historische Dimension des Begriffes „Gartenstadt“. Als Reaktion auf die katastrophalen  Wohnbedingungen von englischen Industriearbeitern am Ende des 19.Jh. formulierte der „Vater der Gartenstadtidee“, der Sozialreformer Ebenezer Howard seine Gartenstadt mit folgenden Grundzügen:

  • Verbindung von Wohnen und Arbeiten
  • Nahversorgung und hochwertige kulturelle Angebote
  • Einbettung der Gartenstadt in ein Netz von Grünzügen und landwirtschaftlich genutzten Flächen, öffentliche Grünflächen sind wichtiger als Privatgärten
  • Relativ hohe Dichte, um auch urbane Qualitäten zu ermöglichen
  • Genossenschaftliche Organisation, um Spekulation mit Grund und Boden auszuschließen

Gegenüber diesem sehr umfassenden Ansatz ist das allgemeine heutige Verständnis von „Gartenstadt“ sehr reduziert auf Wohngebiete mit moderater Dichte und noch relativ guter Durchgrünung.

Howards Gartenstadtidee hat sich Anfang des 20. Jh. sehr rasch in Europa verbreitet aber auch z.B. bis nach Argentinien und Australien. Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft wird bereits 1902 gegründet und ab 1906 wird die deutsche Gartenstadt mit dem umfassendsten Planungsansatz in Hellerau bei Dresden geplant und ab 1909 realisiert. Wichtigster Planer ist hier der bekannte Münchner Architekt Richard Riemerschmid, der dann 15 Jahre später als Architekt von vorgefertigten Holzhäusern in der sog. „Gartenstadt“ in Pullach wieder anzutreffen ist.  Riemerschmid schlägt so gewissermaßen die Brücke vom bekantesten deutschen Gartenstadtbeispiel in Dresden nach Pullach.                           

Die gegenwärtige Diskussion in München und vielen Umlandgemeinden ist entstanden nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine „Gartenstadtsatzung“ der Landeshauptstadt zur Erhaltung der spezifischen Qualitäten für nichtig erklärt hatte. Fortschreitende unkontrollierte Verdichtung, Zurückdrängung von Grünstrukturen, wachsende Bauvolumina rufen in Münchner Stadtbezirken wie Harlaching oder Trudering und in angrenzenden Gemeinden wie Neubiberg, Gräfelfing und Pullach kritische und engagierte Bürger auf den Plan, im vergangenen Sommer auch unterstützt durch eine ausführliche Berichterstattung durch die Presse.

Anhand einiger aktueller Beispiele von Planungen, die im Pullacher Planungs- und Bauausschuss behandelt wurden, stellt Justus Thyroff die Defizite aus der Sicht der Agenda dar und begründet damit die Forderung die zum Teil sehr alten Bebauungspläne zu überprüfen und ggf. auch zu überarbeiten.
Dabei sollten auch ökologische Aspekte eine entscheidende Rolle spielen (Forderung aus der Zukunftswerkstatt von 2008).
Der Leiter des Pullacher  Bauamts Jürgen Weiß sieht Defizite nicht in dem Maß und zunächst keinen Anlass, Bebauungspläne auf den Prüfstand zu stellen, insbesondere solange der Gemeinderat hier keinen entsprechenden Beschluss fasst.

Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München hat für die Gemeinde Neubiberg 2010 ein sog. „Nachverdichtungskonzept“ erarbeitet, das die bislang wenig kontrollierte bauliche Entwicklung in Neubiberg steuern helfen soll. Zunächst hatten wir von der Agenda erwartet, dieses Konzept könnte womöglich auch auf Pullach übertragen werden. Allerdings unterscheiden sich die Ausgangssituationen in Neubiberg und in Pullach deutlich: Neubiberg hat fast keine Bebauungspläne, die Neubauten wurden bislang fast ausschließlich nach BauGB § 34 beschieden. In Pullach haben wir fast flächendeckend Bebauungspläne, die aber zum Teil „nicht qualifiziert“ und bis zu 55 Jahre alt sind.

Bahnhofsareal

Auf der Basis des von der Agenda 2011 vorgelegten Gesamtkonzepts für den Pullacher Ortskern, werden dann zwei Varianten für den Bahnhofsbereich vorgestellt:
Beide Varianten gehen von folgenden Prämissen aus:

  • Steigerung der Attraktivität und Nutzbarkeit des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes durch mehr Transparenz nach Osten und ggf. Glasabschluss der Halle zum Bahnsteig
  • Flankierung des Bahnhofes mit weiteren Bauten, die sich eingeschossig dem Bahnhof unterordnen, zugleich aber das „Pavillonthema“ aufnehmen
  • Größere Einzelhandelsfläche als „Vollsortimenter“ im Sinne des CIMA-Einzelhandelsgutachtens auf der Nordspitze bzw. gegenüber an der Ecke Margarethen-Münchnerstr.
  • Auf der Tiefgarage wird eine attraktivere Nutzung und Gestaltung angestrebt durch großzügige Fußwegverbindung mit begleitender Baumreihe und Bouleplatz zur Münchner Straße, Nutzung der Fläche als nutzbare Wiese oder für „urban gardening“, also Miniparzellen zur Selbstversorgung für die Bürger (mögl. Nutzer: alle, die sich dafür interessieren, ältere Gartenbegeisterte, Schulklassen, Reminizenz an die frühere Gärtnerei Schäfer
  • Räumliche Abgrenzung zur Münchner Str. einmal durch eine Pergola, im anderen Falle durch ein Glashaus
  • Photovoltaiknutzung der Süddachflächen
  • Kunstobjekt vor dem Bahnhof
  • Überbaubare Verlängerung der Tiefgarage nach Norden zur Unterbringung weiterer Parkplätze, Zufahrt über vorh. Rampe
  • Nutzungsideen (die genaue Auswahl und Verortung muss die weitere Diskussion bringen: Drogeriemarkt(soweit nicht vom „Vollsortimenter“ abgedeckt, Naturkostladen, Reisebüro, Radlladen mit Werkstatt, Bahnhofgaststätte

Die lebhafte Diskussion signalisiert zunächst generelle Zustimmung zu den gemachten Vorschlägen. Die einzelnen Nutzungen bedürfen ausführlicher Überlegung. Jürgen Weiß vom Bauamt der Gemeinde weist darauf hin, dass der schlechte Bauzustand des „Herzoghauses“ möglicherweise einen Neubau erforderlich macht. Weitere denkbare Nutzer, die von den Anwesenden favorisiert werden, sind VHS (günstig die Bahnhofsnähe) und auch die Jugendfreizeitstätte.

Verabschiedung der Teilnehmer durch den Sprecher der Agenda um 22.00 Uhr.

Justus Thyroff
Sprecher des AK
Ortsentwicklung und Natur