erschienen im ISAR-ANZAIGER am 28.01.11
Es begann wie ein Märchen. Der Verkehrsausschuss der Gemeinde Pullach kam endlich zu der Überzeugung, dass es mit der Flickschusterei der unterschiedlichen Geschwindigkeitsvorschriften im Ort so nicht weitergehen kann, zumal auf jeder Ausschuss-Sitzung neue Anträge aus der Bevölkerung zur Beschlussfassung vorlagen. Und weil schließlich niemand mehr erklären konnte, warum in einigen Straßen „Tempo 30“ eingeführt wurde, in anderen aber nicht. Beispiele: Östlich der Bahnlinie überwiegend Tempo 30, westlich davon nur wenige Beschränkungen. Oder: In der Jaiserstr. 30 km/h, in der parallel verlaufenden J.-Heppner-Str. 50 km/h. Kein Wunder, dass sich die betroffenen Bürger diskriminiert fühlen. Und wie in einem Märchen, in dem das Gute immer siegt, beauftragte der Verkehrsausschuss Mitte letzten Jahres die Gemeindeverwaltung, ein Konzept für die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten im gesamten Gemeindegebiet zu erarbeiten. Und die machte sich hoch motiviert mit Elan, Expertise, Kreativität und Fleiß an die Arbeit.
Das Märchen ging weiter. Auf der Sitzung des Verkehrsausschusses am 16. November 2010, legte die Verwaltung tatsächlich ein umfangreiches, schlüssiges und umsetzbares Konzept vor, das auch die aktuellen Vorschriften des Straßenverkehrs berücksichtigt. Danach sollte für „Wohnstraßen“ 30 km/h gelten, während die sogenannten „Verkehrsstraßen“ zur Aufnahme des Verkehrs zwischen den Ortsteilen mit Tempo 50 km/h (oder 40 km/h) zu befahren sind. Übrigens entspricht dieses Konzept weitgehend den in der Vergangenheit vorgetragenen Vorschlägen der Agenda 21 Pullach. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses waren voll des Lobes und der Anerkennung für die Erstellung eines derart umfassenden und logischen Konzeptes aus eigenem Hause, zumal vorgesehen ist, bei der Umsetzung sehr behutsam vorzugehen, nur in einem Teilgebiet (Bereich zwischen Seitner- , P.-Augustin-Rösch- , Wolfratshauser und F.-Höllriegel-Straße) zu beginnen und die betroffenen Bürger in den Prozess einzubeziehen sowie die Realisierung von deren überwiegender Zustimmung abhängig zu machen. Bei Erfolg dieses ersten Schrittes wäre das Konzept auch in weiteren Gebieten (im Wesentlichen in der Gartenstadt zwischen Seitnerstr. und S-Bahn sowie im Musiker- und Dichter-Viertel) – jeweils mit Bürgerbeteiligung – umzusetzen. Der Ausschuss beschloss einstimmig, das Konzept zur weiteren Beratung und Beschlussfassung an den Gemeinderat weiter zu geben.
Nachdem die Mitglieder des Gemeinderats nun zwei Monate Zeit hatten, sich mit dem Verkehrskonzept vertraut zu machen, wurde es auf der Sitzung am 18. Januar 2011 dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt. Und hier wandelte sich das Märchen zum Trauerspiel. Während die Räte der 3 kleineren Parteien ihre Anerkennung und Zustimmung zu diesem Konzept formulierten, verhielt sich „die schwarze Mehrheit“ zunächst dräuend passiv. Dann aber wurde das Gremium Schauplatz einer zynischen Inszenierung. Nach anfänglichem Lob an die Verwaltung griff der Sprecher der Fraktion in eine Kiste substanzarmer Argumente, um eine Vertagung der Beschlussfassung zu begründen. Man habe noch zu wenig Zeit für die Bewertung gehabt (immerhin 2 Monate), neue Messungen müssten abgewartet werden (die bei der grundsätzlichen Auslegung des Konzeptes irrelevant sind) und man solle noch einmal prüfen, ob nicht ganz Pullach 40-km/h-Zone werden könne (lt. neuer StVO definitiv nicht statthaft). Das vorläufige Ende des Trauerspiels: Obgleich innerhalb der Fraktion differenzierte Meinungen zu vermuten sind, hoben alle Mitglieder der schwarzen Mehrheit die Hand, als für die Vertagung gestimmt wurde. Welche Beweggründe man dafür hatte, bleibt offen. Nach Überzeugung der Agenda 21 Pullach darf aber die Realisierung des Konzeptes keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden. Das wäre in der Tat ein Trauerspiel, das die Pullacher Bürgerinnen und Bürger nicht verdient haben. Hoffen wir daher auf einen „märchenhaft“ guten Ausgang.